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Kehrtwende in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur sachgrundlosen Befristung

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Zum Verständnis:

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist mit und ohne Sachgrund möglich.

I. Befristung mit Sachgrund

Ein sachlicher Grund für eine Zeit- oder Zweckbefristung liegt gemäß § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) „insbesondere“ vor, wenn

  1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, z.B. bei
  • der künftigen Inbetriebnahme einer neuen Maschine
  • bei einer Betriebsschließung
  • vorübergehend erhöhter Arbeitsanfall
  1. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Bei einem zuvor im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses Beschäftigten muss das befristete Arbeitsverhältnis spätestens am Tag nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses begründet werden
  2. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, z.B. als Urlaubsvertretung, Krankheitsvertretung, Vertretung bei Beschäftigungsverbot, bei Eltern- oder Pflegezeit, Freistellung nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungs- oder Personalvertretungsrechts
  3. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, z.B. Rundfunkmitarbeiter, Künstler, Sportler, Trainer
  4. die Befristung zur Erprobung(Probezeit) erfolgt
  5. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,B. ein befristeter Aufenthaltstitel, Aus-, Fort- und Weiterbildung des Beschäftigten, Schulausbildung, Beschäftigung in Arbeitsbeschaffungs- und Förderungsmaßnahmen
  6. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird (Sonderbefristungsrecht für den öffentlichen Dienst)
  7. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

Gemeint ist jeder Vergleich, der zwischen den Parteien eines Rechtsstreits über den Fortbestand oder die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses vor einem deutschen Gericht geschlossen wird. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, d. h. es ist möglich, dass der Arbeitgeber die Zulässigkeit der Befristung mit anderen, in dieser Aufzählung nicht enthaltenen Gründen rechtfertigt. Gibt es einen der hier genannten (oder einen ähnlich triftigen) sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnis­ses, können Befristungen mehrfach hintereinander ohne exakte zeitliche Höchstgrenzevereinbart werden (sog. Kettenbefristung).

II. Befristung ohne Sachgrund

Befristungen müssen nicht immer durch einen Sachgrund gerechtfertigt sein. Neueinstellungen können auch ohne Sachgrund vereinbart werden (vgl.: § 14 Abs. 2 TzBfG) Diese Vorschrift lautet:

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchs­tens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befris­tung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich ei­nes solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.“

Eine Neueinstellung liegt gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG aber nur dann vor, wenn es nicht bereits zuvorein Arbeitsverhältnis gab (sog. Anschluss- oder Vorbeschäftigungsverbot). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) spielen länger als drei Jahre zurückliegende Ar­beitsverträge beim Anschlussverbot aber keine Rolle (BAG, Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09). In der vielfach kritisierten Rechtsprechung des BAG hat es nun eine Kehrtwende gegeben.

Die jüngste Entscheidung des BAG zur sachgrundlosen Befristung:

Hintergrund dieser Kehrtwende ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 zu dem v.g. Urteil: Das BAG habe darin durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen der vertretbaren Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten. Eine solche (starre) Karenzzeit habe der Gesetzgeber erkennbar nicht regeln wollen. Ungeachtet dessen, so das BAG, müsse § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränkend angewendet werden, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung könne danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliege, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Im konkreten Fall lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und nach der Auffassung des BAG nicht sehr lang (!) zurück. Dabei könne sich der Arbeitgeber auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des BAG vereinbart zu haben. Er musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom BAG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem BVerfG keinen Bestand haben könnte (BAG, Urteil vom 23.01.2019- 7 AZR 733/16).

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