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Populäre Irrtümer aus dem Arbeitsrecht „Der gelbe Zettel“

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19,6 Tage durchschnittlich – mehr als drei Arbeitswochen: So lange fehlte jeder bei der größten deutschen Krankenversicherung versicherte Arbeitnehmer im Jahre 2018 (bis September; vgl. Fehlzeitenreport der AOK vom 04.09.2018). Bei gut 44,8 Millionen Beschäftigten sind teure krankheitsbedingte Produktionsausfälle die Folge. Kranke Mitarbeiter kosten aber nicht nur Geld: Ihre Handhabung berührt viele Themenkreise. Umso wichtiger ist es, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die arbeitsrechtlichen Grundlagen bei Krankschreibungen ausreichend informieren.

Hier die populärsten Irrtümer:

 

  1. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss erst ab dem dritten Tag vorgelegt werden

Krankmeldung und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind zwei verschiedene Dinge: ist der Arbeitnehmer krank und arbeitsunfähig, muss er den Arbeitgeber nur – allerdings unverzüglich – darüber informieren und zwar spätestens zu Beginn der Arbeitszeit am ersten Krankheitstag. Das kann telefonisch aber auch per E-Mail erfolgen. Eine persönliche Krankmeldung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Meldung hat die Angabe zu umfassen, ab wann der Arbeitnehmer mit seiner Genesung rechnet. Nur wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage dauert, hat der Mitarbeiter zusätzlich eine von einem niedergelassenen Arzt mit Kassenzulassung ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorzulegen (vgl. § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz). Ziel des Gesetzes ist es, Missbrauch zu bekämpfen und den Arbeitgeber über den Eintritt und die Dauer einer Arbeitsverhinderung zu informieren, damit dieser entsprechend planen kann. Der Arbeitgeber darf die Vorlage aber auch schon am ersten Krankheitstag verlangen (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 14.11. 2012 – 5 AZR 866/11).

 

  1. Ist ein Arbeitnehmer krankgeschrieben, kann man ihm nicht kündigen

Einem krankgeschriebenen Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber unter denselben Voraussetzungen kündigen, wie gesunden Mitarbeitern. Die Krankheit kann sogar Kündigungsgrund sein. Häufige Kurzerkrankungen kommen für eine Kündigung ebenso in Frage wie Langzeiterkrankungen. Richtwert ist insoweit die maximale Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Mehr als sechs Wochen Fehlzeiten im Kalenderjahr wegen Krankheit können daher als kündigungsrelevant angesehen werden. Maßgeblich sind aber die Umstände des Einzelfalls. Mindestvoraussetzung ist, dass beim Arbeitnehmer auch weiterhin oder regelmäßig mit krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist (sog. Negativprognose) und sich die Krankheit für das Unternehmen nachteilig auswirkt. Schließlich gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Je länger ein Mitarbeiter im Betrieb beschäftigt ist und je mehr er sozial schutzbedürftig ist, desto schwerer wird sich die Kündigung rechtfertigen lassen.

 

  1. Krankgeschriebene Arbeitnehmer müssen zu Hause bleiben

Wäre dies richtig, dürfte kein krankgeschriebener Mitarbeiter eine Apotheke aufsuchen oder notwendige Besorgungen (z. B. Einkauf) erledigen. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist es dem Mitarbeiter auch nicht verwehrt, während seiner Krankschreibung z. B. Sport zu treiben oder ein Kino zu besuchen, solange dies die Heilung der Krankheit nicht verzögert. Selbstverständlich darf der krankgeschriebene Mitarbeiter nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden. In diesem Fall liegt der Verdacht nahe, der Mitarbeiter feiere nur krank und verstoße gegen seinen Arbeitsvertrag.

 

  1. Arbeitnehmer dürfen nicht direkt nach Ende der Krankschreibung in den Urlaub gehen

Das sieht zwar kein Arbeitgeber und kein Kollege wirklich gerne. Rechtlich zulässig ist dies aber. Maßgeblich ist nur, ob der Urlaub genehmigt ist. Wenn das der Fall ist, kann der Mitarbeiter auch direkt nach seiner Krankheit den genehmigten Urlaub antreten.

 

  1. Lässt sich ein Arbeitnehmer im Urlaub krankschreiben, hat das keine Auswirkungen.

Eine Krankschreibung während des Urlaubs führt dazu, dass der Urlaub in den Tagen der Krankheit als nicht angetreten gilt. Der Urlaub bleibt also erhalten. Der Arbeitgeber muss ihn zu einem anderen Zeitpunkt gewähren (§ 9 Bundesurlaubsgesetz). Es gelten aber die sonstigen Melde- und Nachweispflichten:

  • Die Krankheit ist bereits am ersten Tag dem Arbeitgeber zu melden.
  • Die Krankheit ist von einem Arzt zu attestieren – auch im Ausland.
  • Auf dem Attest muss die Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich erwähnt sein.
  • Das Attest ist dem Arbeitgeber spätestens nach drei Tagen vorzulegen.

 

  1. Während der Krankschreibung darf man nicht zur Arbeit zurückkommen

Wird der Mitarbeiter vor Ablauf der Zeit seiner Krankschreibung wieder gesund ist, muss er sogar zur Arbeit zurückkommen, wenn er wieder voll arbeitsfähig ist. Das gilt selbst dann, wenn die Zeit der Krankschreibung noch läuft. Schließlich attestiert der Arzt mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur die voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit. Endet diese tatsächlich früher, gelten also die wahren Verhältnisse. Eine Gesundschreibung gibt es nicht. Insofern muss sich der Arbeitnehmer auch nicht gesundschreiben lassen. Voraussetzung für die Verpflichtung zum Erscheinen am Arbeitsplatz ist jedoch die vollständige Genesung. Eine Teilarbeits(un)fähigkeit kennt das Gesetz nicht.

 

  1. Ein Arbeitgeber darf einen Mitarbeiter nicht gegen seinen Willen nach Hause schicken, wenn er ihn noch nicht wieder für arbeitsfähig hält.

Wer einen erkennbar arbeitsunfähigen Arbeitnehmer einsetzt, verstößt damit gegen seine Fürsorgepflicht und kann für Schäden haftbar gemacht werden, die ihre Ursache in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers haben. Im Zweifel soll der Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung verlangen, welche die vollständige Genesung bestätigt. Tut er das nicht, schickt aber einen gesunden Arbeitnehmer nach Hause, muss er das vereinbarte Gehalt zahlen, auch wenn der Zeitraum der Entgeltfortzahlung (6 Wochen) abgelaufen ist.

 

  1. Der Arbeitnehmer muss die Gründe für die Krankschreibung mitteilen.

Grundsätzlich ist kein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Gründe seiner Erkrankung mitzuteilen. Eine Ausnahme besteht für den Fall, dass durch die Erkrankung die Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind, etwa weil die Krankheit eine Gefahr für andere Mitarbeiter, Vorgesetzte, Kunden etc. bedeutet. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer die Gründe für die Krankschreibung mitteilen. Ist die die Erkrankung Folge betrieblicher Abläufe (z. B. ausströmendes Kältemittel), ist der Arbeitnehmer zum Schutz der übrigen Belegschaft zudem verpflichtet, auf bekannte Zusammenhänge hinzuweisen. Die Interessen des Arbeitgebers sind auch dann tangiert, wenn es um die Frage der sog. Fortsetzungserkrankung geht. Die liegt vor, wenn der Arbeitnehmer erneut an derselben Ursache – derselben Grundkrankheit – erkrankt. In diesem Fall beträgt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltzahlung insgesamt nur sechs Wochen. Handelt es sich um eine Fortsetzungserkrankung, muss der Arbeitnehmer zwar nicht die Diagnose mitteilen. Er muss aber mitteilen, dass ein Zusammenhang mit einer Vorerkrankung besteht, wenn dies Einfluss auf die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers hat. Ein weiterer Fall, bei dem die Interessen des Arbeitgebers tangiert sind, betrifft den Übergang von Schadensersatzansprüchen. Wurde etwa die Arbeitsunfähigkeit von einem Dritten schuldhaft verursacht, gegen den dann auf den Arbeitgeber übergegangene Schadenersatzansprüche bestehen (z. B. Verkehrsunfall, Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht), muss der Arbeitnehmer unverzüglich die für ihre Geltendmachung erforderlichen Informationen mitteilen. Dazu gehören zwar nicht Details der Diagnose, aber Angaben über die Person des Schädigers, den Hergang und die medizinischen Auswirkungen. Verhindert der Arbeitnehmer durch fehlende Informationen den Anspruchsübergang, muss der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leisten.

 

  1. Man kann sich nicht rückwirkend krankschreiben lassen

Die Krankschreibung eines Arbeitnehmers richtet sich nach der für die Krankenkassen maßgeblichen Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie. Nach ihr darf ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit erst ab dem Tag bescheinigen, an dem der Arbeitnehmer ihn aufgesucht hat. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Arztbesuch liegenden Tag ist nur ausnahmsweise und nur bis zu drei Tagen zulässig, mithin möglich. Man kann sich also auch rückwirkend krankschreiben lassen, soweit für den Arzt nachvollziehbar ist, dass der Arbeitnehmer in den Tagen zuvor weder arbeiten noch ihn aufsuchen konnte.

 

  1. Eine fehlende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat keine Folgen.

Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gehört zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Arbeitnehmers. Sie ergibt sich aus § 5 Abs. 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Legt der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung also nicht vor, verstößt er gegen seinen Arbeitsvertrag. Hierauf kann der Arbeitgeber auf verschiedene Art und Weise reagieren. Er hat die Möglichkeit, das Gehalt für die Zeit der Abwesenheit zurückzuhalten und kann den Arbeitnehmer wegen des Verstoßes gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch abmahnen. Nach einer Abmahnung kann der Arbeitgeber die (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen, wenn der Mitarbeiter weiterhin oder wiederholt fehlt, ohne die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.01.2012- 10 Sa 593/11- ).

 

  1. Wer krank ist, ist auch arbeitsunfähig.

In den bereits erwähnten Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien heißt es unter § 2 Abs.1:

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Versicherte auf Grund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können…………Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn auf Grund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen.

Das bedeutet: Wer krank ist, muss nicht zwangsläufig arbeitsunfähig sein. Krankheit bedeutet also nicht automatisch Arbeitsunfähigkeit. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. So kann etwa eine Allergie gegen Kältemittel für einen Kälteanlagentechniker zur Arbeitsunfähigkeit führen. Bei einem Büroangestellten wird dies eher selten der Fall sein.

 

  1. Mit „Krankenschein“ darf man nicht arbeiten

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestiert, dass ein Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihrer Ausstellung krankheitsbedingt nicht arbeitsfähig ist. Sie enthält zudem die Prognose, wie lange dieser Zustand voraussichtlich anhalten wird. Diese Vorhersage der künftigen Entwicklung kann zutreffen oder nicht. Sie stellt aber kein Arbeitsverbot dar, so dass der Arbeitnehmer vor Ablauf des Prognosezeitraums wieder an seinem Arbeitsplatz erscheinen kann, wenn er das möchte. Verpflichtet vor Ablauf des Prognosezeitraums ist er dazu nur, wenn er nachweislich nicht mehr erkrankt ist. Denn dann ist er nicht mehr arbeitsunfähig und damit auch nicht von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit.

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