Was versteht man unter einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)?
Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, den bei ihm Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Grundlage ist § 167 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Demnach muss der Arbeitgeber klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Muss das BEM bei jeder längeren Erkrankung angeboten werden?
Folgt man dem Gesetzeswortlaut, wäre die Frage zu bejahen. Folgt man der Intention des Gesetzgebers und damit Sinn und Zweck des BEM, wäre sie zu verneinen. Das BEM dient nämlich dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und ist ein Instrument, um den Folgen des demographischen Wandels wirksam zu begegnen. Gleichzeitig sichert das BEM durch frühzeitige Intervention die individuellen Chancen den Arbeitsplatz zu behalten, schreibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf seiner Internetseite am 11.10.2018:
Ist also der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit auch ohne BEM absehbar, bedarf es keines Angebotes an den /die erkrankten Beschäftigten. Beispiel: Im Skiurlaub erleidet der Beschäftigte einen Beinbruch und wird nach einer erfolgreichen Operation zwei Monate lang in einem Rehabilitationszentrum behandelt. Hier darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Arbeitskraft nach Abschluss der Therapie vollständig wiederhergestellt ist. Bei dieser Ausgangslage wäre ein BEM überflüssig.
Wie verläuft das BEM?
Das Gesetz regelt lediglich die Rahmenbedingungen, macht aber kaum inhaltlichen Vorgaben. Soweit die Betroffenen einem BEM zustimmen, ist die zuständige Interessenvertretung (z. B. Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung) zu beteiligen. Die Hinzuziehung von Werks- oder Betriebsarzt und ggf. eines Rehabilitationsträgers (Krankenkasse, Rentenversicherung, Unfallversicherung), bzw. des Integrationsamtes bei Schwerbehinderten ist im Einzelfall zu prüfen.
Die einzelnen Phasen des BEM:
1. Hinweis auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten.
Der /die Beschäftigte soll vor seiner Zustimmung darüber aufgeklärt werden, auf welches Verfahren er /sie sich einlässt. Deshalb verlangt § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, dass ihn/sie der Arbeitgeber zunächst über die Ziele des BEM und über die erhobenen und verwendeten Daten informiert.
2. Zustimmung des /der Beschäftigten zum BEM
Der /die Betroffene kann frei entscheiden, ob er seine Zustimmung zum BEM erteilt. Diese ist formlos möglich. Der /die Betroffene ist also nicht verpflichtet, einem BEM zuzustimmen. Darüber hinaus kann er /sie bei einer Teilnahme entscheiden, welche betrieblichen Stellen in das BEM eingebunden werden sollen. Lehnt er /sie eine Teilnahme am BEM ab, hat der Arbeitgeber seine Verpflichtungen erfüllt. Seine krankheitsbedingte Kündigung hat dann deutlich höhere Erfolgschancen. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber kein BEM anbietet: Wurde eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen und vorher kein BEM angeboten, hat der Arbeitgeber bei einem Prozess schlechtere Chancen. Das Gericht geht in diesen Fällen meist davon aus, dass es mildere Mittel als eine Kündigung gegeben hätte. Der Arbeitgeber ist dann beweispflichtig, dass ein BEM nichts geändert hätte. Die Anforderungen an die Beweisführung sind jedoch sehr hoch (Urteil des BAG vom 20.11.2014, Aktenzeichen 2 AZR 755/13).
Auch wenn der /die Betroffene ein BEM oder die Beteiligung des Betriebsrates daran ablehnt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über das BEM zu informieren (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 07.02.2012 – Aktenzeichen ABR 46/10). In diesem Fall darf dem Betriebsrat aber nur eine allgemeine Auskunft über krankheitsbedingte Fehlzeiten und ein Nachweis über ein angebotenes BEM ausgehändigt werden. Details dürfen nicht weitergegeben werden.
3. BEM-Gespräch zur Klärung
Hat der /die Betroffene dem BEM zugestimmt, findet das Erstgespräch statt. Dessen Ziel ist es die Gründe für die Fehlzeiten zu erörtern, insbesondere zu klären, ob und ggf. in welchem Zusammenhang die Ausfallzeiten mit der ausgeübten Tätigkeit bzw. den Arbeitsbedingungen stehen. Hier werden, soweit erforderlich, der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Der /die Betroffene ist allerdings nicht verpflichtet, die ihn /sie behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, auch wenn dies die Zielfestsetzung (vgl. Schritt 4) erleichtern würde. Jedoch ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, den Betroffenen /die Betroffene darauf hinzuweisen, dass ohne seine /ihre aktive Mitarbeit der Arbeitsplatz angesichts der Ausfallzeiten gefährdet ist.
4. BEM-Gespräch zur Zielerörterung und -festlegung
Im Rahmen dieses BEM-Gesprächs wird erörtert, welche Ziele der /die Betroffene mit dem BEM erreichen soll. Diese sollen festgelegt und protokolliert werden. In erster Linie geht es darum, wie die bestehende Krankheit beendet bzw. in Zukunft vermieden werden können. Mittel sind etwa die Umgestaltung des Arbeitsplatzes, die Anpassung der Arbeitszeit, die Versetzung in andere Firmenbereiche oder Umschulungen und Rehabilitationsmaßnahmen (z. B. Kuren). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Umsetzung der vereinbarten Ziele aktiv zu unterstützen, d. h. dazu alles in seiner Macht Stehende zu tun. Kündigt er vorher dem /der Betroffenen, muss er beweisen, dass die Maßnahme(n) entweder nicht durchführbar waren oder nicht den gewünschten Erfolg erzielt hätten. Umgekehrt ist aber auch der Mitarbeiter verpflichtet, alles zu unternehmen, was in seiner Macht steht, um das BEM zum Erfolg zu führen (Urteil des BAG vom 10.12.2009, Aktenzeichen: 2 AZR 400/08). Es kommt aber auch vor, dass es keine Möglichkeit gibt, den Mitarbeiter adäquat weiter zu beschäftigen. Dann dient das Protokoll dem Arbeitgeber als Beweismittelbei einer Kündigung aus gesundheitlichen Gründen. Dann kann sich der Mitarbeiter im Verfahren nicht mehr auf Modelle berufen, die bereits im Rahmen des BEM besprochen und verworfen wurden (BAG, a.a.O.).
5. Ende des BEM
Wenn die Fehlzeiten dauerhaft unter die Sechswochengrenze des § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX gesunken sind, oder die Teilnehmer das Ende feststellen oder das Beschäftigungsverhältnis endet, ist das BEM abgeschlossen. Sein Ende findet es auch dort, wo auch nach Ansicht neutraler Dritter (z. B. Integrationsamt; Betriebs- und Werksarzt) keine Möglichkeiten zur Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Arbeitsverhältnis oder zur Fehlzeitenreduzierung bestehen oder eine Wiedereingliederung keinen Sinn ergibt.